Praxis-Netzwerk zur Erprobung der nicht-chemischen Unkrautkontrolle und mechanisch digitaler Verfahren im Ackerbau (NEUKA.BW)

Praxis-Netzwerk zur Erprobung der nicht-chemischen Unkrautkontrolle und mechanisch digitaler Verfahren im Ackerbau
Das Projekt NEUKA.BW ist Teil des „Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt“ und unterstützt somit direkt die Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie des Landes Baden-Württemberg. Ziel des Vorhabens ist es, einen Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung von innovativen, praxisgeeigneten, nicht-chemischen, insbesondere sensorgesteuerten Verfahren zur mechanischen Unkrautregulierung als Baustein für einen nachhaltigen Pflanzenschutz im Ackerbau zu leisten. Durch die Etablierung eines Praxisnetzwerkes sowie durch Fachveranstaltungen soll das Wissen insbesondere an Beratung und Praxis vermittelt werden, um die Anwendung von Herbiziden und damit Stoffeinträge in die Umwelt zu reduzieren. Somit sollen positive Veränderungen der Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen gleichermaßen sichergestellt werden, um die Artenvielfalt auf und an Äckern mittel- bzw. langfristig zu erhöhen.
Kooperationspartner:
Fachgebiet Herbologie am Institut für Phytomedizin der Universität
Hohenheim
Unkräuter und Ungräser nehmen einen großen Einfluss auf Ertragsmenge und Produktqualität landwirtschaftlich angebauter Kulturen. Daher spielt die Unkrautbekämpfung bei der Ertragssicherung eine bedeutende Rolle. Im integrierten Pflanzenschutz kommen zur Regulierung von Unkräutern und Ungräsern sowohl mechanische wie chemische Methoden in Frage. Die Unkrautbekämpfung stützt sich jedoch im integrierten Ackerbau neben dem Einsatz von pflanzenbaulichen Maßnahmen, wie z. B. die Grundbodenbearbeitung, wesentlich auf Herbizide. Es zeigt sich immer mehr, dass die bisherigen Strategien an ihre Grenzen geraten, da viele Unkrautarten mit den verfügbaren Herbiziden zunehmend schwieriger zu bekämpfen sind. Hinzu kommen die in den letzten Jahren gleichermaßen stärker in den Fokus gerückten und von Verbraucherseite und Politik immer offensiver kritisch diskutierten negativen Wirkungen auf Umwelt, Nicht-Zielorganismen und Nahrungskette. Dieser gesamtgesellschaftliche Wandel hat sowohl zu einer Veränderung im Konsumverhalten von Verbrauchern wie auch zu verschärften Regularien seitens der Gesetzgebung geführt. Somit sind die Produzenten (Landwirte) gezwungen, über Jahrzehnte etablierte Anbau- und Schädlingsbekämpfungsstrategien zu überdenken und neu zu definieren.
Für ein zukunftsorientiertes, integriertes Unkrautmanagement ist die Ausweitung nicht-chemischer Unkrautregulierungsverfahren in Kombination mit dem zielgerichteten Einsatz vorbeugender pflanzenbaulicher Maßnahmen als Teil des Unkrautregulierungsmanagements zwingend erforderlich, um Fortschritte bei den Bemühungen um die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu erzielen, da etwa 50 % der eingesetzten Pflanzenschutzmittel auf Herbizide entfallen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen in der Praxis erfolgversprechend umgesetzt werden können. Hierzu sind gerade hinsichtlich der mechanischen Unkrautbekämpfung noch einige Hindernisse zu überwinden. Das Projekt NEUKA.BW soll hierzu einen zentralen Beitrag leisten.
Folgenden Fragestellungen wird im Rahmen des Projektes nachgegangen:
- Haben sich die Verfahren und Technologien im nicht-chemischen Pflanzenschutz, insbesondere bei der mechanischen Unkrautregulierung, so weiterentwickelt, dass diese auch im konventionellen Anbau vergleichbare Wirkungsgrade und Praxisreife haben – bei gleichzeitig stärkerer Umweltschonung – wie der bisherige Herbizideinsatz?
- Wie kann die Unkrautkontrolle insbesondere bei herbizidresistenten Ungräsern (in Wintergetreide) bzw. vorhandenen Herbizidwirkungslücken (Leguminosen) durch den Einsatz einer sensorgesteuerten Hacke in praxisüblichen engen Reihenweiten in Wintergetreide und Körnerleguminosen (Erbsen und Soja) optimiert werden?
- Welche längerfristigen Auswirkungen haben unterschiedliche Anbau- bzw. Unkrautregulierungssysteme auf Verunkrautung, Ertrag und Artenvielfalt?
- Können die Unkrautregulierungserfolge durch die Kombination von chemischen mit mechanisch-digitalen Verfahren sowie optimierten Maßnahmen des Pflanzenbaus gesteigert werden?
Durch die Überwindung von Wissens- und Erfahrungslücken in der Praxis kann die Akzeptanz der Verfahren des nicht-chemischen Pflanzenschutzes erhöht werden.
Feldversuche zum Einsatz sensorgesteuerter Hacktechnik bei engen Reihenweiten in Winterweizen, Körnererbse und Sojabohne (2018 - 2021)
Die Feldversuche zum Vergleich verschiedener Verfahren der Unkrautregulierung in den Kulturen Winterweizen bzw. Wintertriticale, Sojabohnen und Körnererbsen wurden auf mehreren konventionell bewirtschafteten Standorten durchgeführt. Ab 2019 konnte eine kameragesteuerte Hacke mit Flachhackscharen eingesetzt werden. In Anbetracht der üblichen Sätechnik wird untersucht, ob die Hacke für einen Reihenabstand von 15 cm im Vergleich zum Herbizid- oder Striegeleinsatz praxistauglich ist. Bei den Sojabohnen am Standort Rheinstetten wurde zusätzlich ein Reihenabstand von 15 und 30 cm verglichen.
Dauerversuch zum Vergleich verschiedener Anbau- und Unkrautregulierungssysteme (2020 – 2032)
Es soll gezeigt werden, welche langfristigen Auswirkungen verschiedene Anbausysteme mit unterschiedlichen Unkrautregulierungsstrategien bei einer dauerhaften Reduzierung des Herbizideinsatzes auf Erträge, Verunkrautung, Bodensamenvorrat und letztlich auch auf die Artenvielfalt der Unkräuter und wirbellosen Tiere hat. Gleichzeitig soll untersucht werden, ob sich die Leistungen der Systeme durch die Kombination von chemischen mit mechanisch-digitalen Verfahren (z. B. im Zusammenhang mit einer Bandapplikation) sowie durch optimierte Maßnahmen des Pflanzenbaus (falsches Saatbett, erhöhte Aussaatstärke, späterer Saattermin) steigern lassen. Dazu wurde im Jahr 2020 am Standort Forchheim ein Dauerversuch über eine geplante Laufzeit von 12 Jahren in den Kulturen Winterweizen, Sojabohne, Wintergerste und Körnermais angelegt. Durch jährliche Rotation der vorgenannten Kulturen wurde somit eine vierfeldrige Fruchtfolge mit drei Fruchtfolgegliedern etabliert. Folgende Varianten werden geprüft:
- Unbehandelte Kontrolle
- Chemisch betriebsüblich, nach guter fachlicher Praxis (gfP)
- Mechanisch
- Mechanisch mit optimiertem Pflanzenbau
- Chemisch/mechanisch (Bandapplikation in Mais; Spätherbizid in Getreide)
Bidirektionaler Einsatz einer kameragesteuerten Hacke bei Gleichstandsaat in Mais (2020 – 2022)
Im Vergleich zu konventionellen Maisanbausystemen, bei denen nur eine mechanische Unkrautregulierung in Längsrichtung möglich ist, soll im Rahmen dieser Versuche mittels einer RTK GPS-gestützten pneumatischen Einzelkornsämaschine ein quadratischer Aussaatverband erzeugt werden, welcher eine Unkrautregulierung sowohl in Längs- als auch in Querrichtung ermöglicht. Durch den kreuzweisen Einsatz einer kameragesteuerten Hacke sollen zunächst die Wirkungsgrade innerhalb der Kulturpflanzenreihe und letztlich die Gesamtwirkungsgrade gesteigert werden, ohne dabei höhere Kulturpflanzenverluste als in herkömmlichen Systemen zu verursachen. Weiterhin soll im Rahmen dieser Versuche untersucht werden, wie sich ein Gleichstandsaatsystem im Vergleich zu einem konventionellen Reihensaatsystem auf wesentliche Wachstumsparameter (Einzelpflanzenentwicklung und Ertrag) auswirkt.
Einsatz autonomer Feldroboter für die Unkrautregulierung und Düngung (seit 2024)
Autonome Feldroboter gelten als Zukunftstechnologie in der Landwirtschaft. Verschiedene Hersteller bieten bereits marktreife Systeme zur Unkrautregulierung an. In verschiedenen Feldversuchen soll das Potential und die Praxistauglichkeit autonomer Feldroboter evaluiert werden. Zum Einsatz kommen der FD 20 der Firma Famdroid und der Farming GT der Firma Farming Revolution. Dabei soll die Applikationstechnik des Farming GTs neben der Spot Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln an die Ausbringung flüssiger N-Düngemittel angepasst werden und eine punktförmige Einzelpflanzendüngung ermöglichen. Erfasst wird der Wirkungsgrad der Unkrautregulierung sowie der Einfluss auf die Kulturpflanzenentwicklung und Nährstoffeffizienz.
In jedem der vier Regierungsbezirke sind mindestens zwei Demonstrationsbetriebe vertreten. Auf den Betrieben werden in den Kulturen Körnermais, Sojabohne, Winterweizen, Dinkel, Sommergerste, Zuckerrüben und Sonnenblumen jeweils rein mechanische-, mechanisch-chemische sowie rein chemische Verfahren der Unkrautregulierung unter Praxisbedingungen durchgeführt.
Da die Wirksamkeit mechanischer Verfahren stärker von Faktoren wie Witterung und Standortbedingungen abhängig ist als dies bei der chemischen Unkrautregulierung der Fall ist, stellt die Erprobung und der damit verbundene Erkenntnisgewinn einen wichtigen Schritt für eine erfolgreiche nicht-chemische Unkrautregulierung dar. Die Festlegung der Kulturen sowie der entsprechenden Prüfvarianten erfolgt stets in Absprache mit den jeweiligen Betriebsleitern unter Berücksichtigung der betriebsspezifischen Gegebenheiten.
Die Erfahrungen und Einschätzungen der Betriebsleiter werden abgefragt, dokumentiert und anderen Praktikern bei Feldtagen sowie Infoveranstaltungen zugänglich gemacht. Dadurch soll ein Wissenstransfer von Praktikern für Praktiker erreicht werden, bei dem über einen Erfahrungsaustausch Wissenslücken geschlossen, Vorurteile abgebaut und somit letztlich die Akzeptanz weiter gesteigert werden.
Fachartikel
- Artikel in der Badische Bauernzeitung (BBZ), Nr. 21 „Hacken und Striegeln statt Chemie?"
- Artikel in der BW Agrar Nr. 20 „Mit Kamera und Sensor auf gutem Kurs“
- Artikel in der BW Agrar Nr. 24 „Schlag ins Gesicht für den Wildwuchs"
- Artikel in der BW Agrar Nr. 26 „Versuchs doch mal mechanisch – Zinken zeigen´s dem Unkraut“
- Artikel in der BW Agrar Nr. 31 „Hacke und Striegel ersetzen die Spritze“
- Artikel in den Fränkischen Nachrichten 28.06.2019 „Regionaler Anbau - ohne Zusatzstoffe“
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
- Naruhn, G.-P., Peteinatos, G.G., Butz, A.F., Möller, K., Gerhards, R. (2021): Efficacy of Various Mechanical Weeding Methods—Single and in Combination—In Terms of Different Field Conditions and Weed Densities. Agronomy 2021, 11, 2084.
- Naruhn, G.-P., Möller, K., Peteinatos, G., Gerhards, R. (2022): Enhanced intra-row weed control using bi-directional camera-guided hoeing in maize. In Proceedings of the 19th European Weed Research Society Symposium. Athens, Greece. 20-23 June 2022.
- Naruhn, G., Schneevoigt, V., Hartung, J., Peteinatos, G., Möller, K., Gerhards, R. (2023): Bi-directional hoeing in maize. Weed Research, 1–13.
- Naruhn, G.-P., Hartung, J., Schulz, V., Möller, K., Gerhards, R. (2025): How equal space seeding in maize (Zea mays L.) influences weed competition, crop growth, and grain yield. Crop Science, 65, e70152.