Plant Health Identification of Coleoptera
Morphologisch-molekulare Identifikation von Käferarten an Lebendholz unterstützt durch neue Technologien: Smartphone-APPs & Next-Generation-Sequencing (NGS) im Bereich der Pflanzengesundheit
Die Projektreihe PHID-Coleo hat zum Ziel, neue Diagnoseverfahren für nicht-heimische und potentiell invasive Käferarten zu entwickeln, die mit Importholz oder Pflanzenlieferungen nach Deutschland eingeschleppt und im Rahmen von Kontrollen durch die Pflanzengesundheit entdeckt werden. Damit soll eine wichtige Lücke geschlossen werden, da viele Käfereinschleppungen nur schwer bestimmbar sind, ihr wirtschaftliches Schadpotential jedoch verheerend sein kann. Daher ist eine schnelle Identifikation nicht-heimischer Arten sehr wichtig. Neben morphologischen Merkmalen werden dabei auch molekulare Methoden herangezogen, um eine eindeutige Diagnose stellen zu können.
In PHID-Coleo I lag der Fokus auf den Bockkäfern (Cerambycidae), Bohrkäfern (Bostrichidae) und Parkettkäfern (Lyctidae). Es wurde eine Referenzsammlung aus Präparaten, Fotos und Gensequenzen erstellt und Literatur aus aller Welt zusammengetragen, die in dieser Form einmalig ist. Zudem wurden dichotome Bestimmungsschlüssel erstellt und die molekulare Bestimmung mittels DNA-Barcoding etabliert. Parallel dazu wurden Populationen des Asiatischen Laubholzbocks (Anoplophora glabripennis) auf ihre Verwandtschaftsverhältnisse an der Universität Hohenheim als Projektpartner untersucht, um Einschleppungs- und Etablierungsereignisse invasiver Holzschädlinge besser nachvollziehen zu können.
PHID-Coleo II erweitert nun das Artenspektrum auf die Familien der Prachtkäfer (Buprestidae) und Borkenkäfern (Scolytinae), wodurch dann letztlich alle pflanzengesundheitlich relevanten Käferfamilien an Importholz abgedeckt werden. Die bereits bestehenden Diagnoseverfahren sollen durch neue Technologien gestützt werden, um den Importkontrolleuren eine vor-Ort Diagnose zu ermöglichen und so die Einleitung von Maßnahmen zu beschleunigen. Dafür wird eine Smartphone-Anwendung entwickelt, die ausgewählte Käfer mittels künstlicher Intelligenz erkennen kann (eine „Käfer-App“) und das molekulare Verfahren LAMP-PCR auf seine Eignung geprüft, wichtige Quarantäneschädlinge ohne Labor noch vor Ort sicher zu identifizieren, auch wenn z.B. zerquetsche Insekten am Mikroskop nicht mehr zu bestimmen sind. Next-Generation-Sequencing soll zusätzlich ermöglichen, Mischproben aus Fallenfängen schnell und ohne großen Arbeitsaufwand auf Artniveau zu bestimmen, um herauszufinden ob sich zwischen den ganzen Insekten einer Falle eine schädliche Art befindet.
Durch den globalen Handel mit Import- und Verpackungsholz kann es jederzeit zu Einschleppung von nicht-heimischen Käferarten aus der gesamten Welt kommen und der fortschreitende Klimawandel macht eine potentielle Etablierung von invasiven Arten mit hohem wirtschaftlichen Schadpotential zunehmend möglich. Freilandfunde des Asiatischen Laubholzbocks Anoplophora glabripennis, des Citrus-Laubholzbocks A. chinensis und des Asiatischen Moschusbocks Aromia bungii, die aufgrund von amtlichen Tilgungsmaßnahmen zur Fällung von zahlreichen Bäumen geführt haben, sind aktuelle Beispiele dieser Problematik. Zudem zeigen Fälle aus anderen Ländern, was noch auf uns zukommen könnte. So brachte der eingeschleppte Asiatische Eschenprachtkäfer Agrilus planipennis in Nordamerika bereits Millionen von Eschen zum Absterben und auch im westlichen Russland gibt es eine etablierte Population, die sich zunehmend auf Osteuropa ausweitet und bereits in der Ukraine nachgewiesen wurde.
Aufgrund der kaum zu überblickenden Menge an Importgütern und der großen Anzahl an zu überwachenden Arten sind neue, effiziente und einfache Verfahren notwendig, um eine effektive und schnelle Arbeit der Pflanzengesundheit gewährleisten zu können. PHID-Coleo II soll einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten.
Analog zum Projekt PHID-Coleo I soll eine umfassende Referenzsammlung von Käferpräparaten mit pflanzengesundheitlich relevanten Arten aus den Familien der Prachtkäfer und der Borkenkäfer erstellt werden, die die Basis für zukünftige Diagnosen darstellt. Mit diesen Arten werden Bestimmungsschlüssel erstellt, die sich auf weltweit zusammengetragene Literatur und dem Wissen von Käfer-Experten innerhalb des Projekt-Netzwerks stützen. Die dabei gewonnene Expertise sowie Fotos aus der Referenzsammlung sollen in die Entwicklung der Smartphone-Anwendung fließen, die durch Bilderkennung mittels künstlicher Intelligenz in der Lage ist, die nicht-heimischen Käferarten zu erkennen. Damit soll es auch Mitarbeitern der Pflanzenschutzdienste ohne weitreichenden Kenntnissen in der Insektenkunde möglich sein, eine Artbestimmung vor Ort zu erhalten, um so eventuell notwendige Maßnahmen schneller einleiten oder Entwarnung geben zu können.
Morphologische Diagnoseverfahren mit dem Mikroskop sind stark von dem Zustand des Materials und zum Teil auch vom Entwicklungsstadium der Insekten abhängig. Larven von Käfern lassen sich deutlich schwerer Identifizieren als Adulte, zumal häufig kaum Referenzmaterial vorhanden ist und entsprechende Erfahrung benötigt wird. Gleichzeitig werden holzbewohnende Käferarten besonders häufig in diesem Stadium eingeschleppt. Auch zerstörte Tiere, was bei Palettenholz oder angeschnittenen Holzproben häufig vorkommt, erschweren eine Diagnose oder machen sie unmöglich. Diese Lücke kann durch molekulare Methoden geschlossen werden, die bisher jedoch im Labor durchgeführt werden müssen und daher wertvolle Zeit verstreicht, bis ein Ergebnis vorliegt. Aus diesem Grund wird das Verfahren der LAMP-PCR auf seine Eignung in der Praxis geprüft. Bei dieser „kalten PCR“ ist kein Thermocycler notwendig und das Ergebnis wird per Farbumschlag angezeigt, wodurch das Verfahren auch direkt am Fundort mit wenig technischem Aufwand durchgeführt werden kann.
Eine weiteres molekulares Verfahren, dem zukünftig großes Potential zugeschrieben wird, ist das Next-Generation Sequencing (NGS). Im Vergleich zu bisherigen Verfahren läuft die Sequenzierung automatisiert und deutlich schneller ab, wodurch große Mengen an genetischem Material analysiert werden können. So könnten sich z.B. Mischproben aus Fallenfängen, wie sie bundesweit durch verschiedene Insekten-Monitoringprogramme in großen Mengen anfallen, gezielt auf einzelne Arten auswerten lassen. Eine Leistung, die mit bisher etablierten Methoden aufgrund des Arbeitsaufwands nicht erbracht werden kann. Aus diesem Grund soll die praktische Eignung des Verfahren, sichere Nachweise zu erbringen, innerhalb der Projektlaufzeit getestet werden. In der Praxis könnten dadurch viel größere Stichprobenzahlen auf schädliche Insektenarten untersucht werden und dadurch früher erkannt und bekämpft werden.
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Für das Erreichend der Projektziele ist ein starkes Netzwerk mit unterschiedlicher Expertise unerlässlich. Dafür wurde schon im Vorgängerprojekt eng mit Insektenkundlern, Molekularbiologen aus dem universitären Bereich, Museen und den Pflanzenschutzdiensten im In- und Ausland zusammengearbeitet. Dieses Netzwerk soll nun weiter genutzt und ausgebaut werden.
Das Verbundprojekt wird durch das Zoologische Diagnoselabor am LTZ Augustenberg in Karlsruhe koordiniert. Der wissenschaftliche Partner ist das Fachgebiet für Populationsgenomik bei Nutztieren der Universität Hohenheim.
Proben mit Befallsholz, Käfern oder Larven können jederzeit unter der angegebenen Adresse zur kostenlosen Diagnose eingesendet werden. Das LTZ Augustenberg ist ausdrücklich auch an der Mitarbeit von Privatpersonen interessiert, die sich durch den Austausch von Wissen, Präparaten oder Literatur an dem Projekt beteiligen möchten.
In den Bundesländern ist der jeweilige Pflanzenschutzdienst für die Schädlingsdiagnosen zuständig. Bundesweit liegt die Zuständigkeit für die Pflanzengesundheit beim Julius-Kühn-Institut.
Die Förderung des Projekts PHID-Coleo II (Förderkennzeichen 2818709A19) erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.
Die Laufzeit beträgt 3 Jahre, in denen das LTZ Augustenberg und die Universität Hohenheim jeweils einen wissenschaftlichen Mitarbeiter bzw. eine wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Die Unteraufträge der Firmen Oculyze GmbH und AIM GmbH werden ebenfalls über diese Förderung finanziert.